Rose von Jericho - Eine Aktionszeremonie der Münchner Gruppe Z

Am Heiligen Abend und am ersten Feiertag zelebrierte die Gruppe Z im Münchner ProT Theater ihre Rose von Jericho. Die Gruppe hatte bereits am Allerseelentag im Keller eines Mietshauses eine kühl-schaurige Totenfeier abgehalten. Diesmal, wieder an einem kirchlichen Feiertag, gingen die drei Akteure einen Schritt weiter: Sie drängten Geburt, Tod, Feierlichkeit, Kult und kritische Zeitbezüge in ein sehr dichtes, spannungsreiches Netz von gegenseitigen Bezügen. Sie bauten künstliche, reine, weiße Mythen, ohne die vielfältigen Auslegungsmöglichkeiten zu vordergründiger Symbolik auszuspielen. Es blieb dem Zuschauer überlassen, sich Details herauszugreifen, zu interpretieren oder sich einfach von der Stimmung einfangen zu lassen. Alles stumm: Auf der hellerleuchteten Bühne Gerümpel, ein Arrangement wie von Beuys. Zwei junge Männer präparieren ein Regal zum Schragen, treten nach vorn. Ein dritter kommt und wird zum Schragen geführt, zittert, sinkt um und wird unter Zeitungen und Gerümpel begraben. (Das Gegenteil einer frohen Geburt.) Die Bühne wird mit Stacheldraht und Seilen vom Zuschauerraum getrennt. Eine rote Lampe beleuchtet lange das Grabarrangement. (Epitaph für einen Neugeborenen.) Das Licht erlöscht. Lange Finsternis, aber viel Geräusche: Papierrascheln, Poltern, Schritte, umstürzende Möbel. Dann beleuchtet ein fahles Licht eine neue Situation: Eine Gestalt (die vorher begrabene?) sitzt, von weißen Laken verhüllt, auf einem Stuhl. Die beiden Akteure verhängen die Szene mit weißer Gaze (Katakombe, Sauerstoffzelt) und dekorieren den Boden zu Füßen des Sitzenden mit allerlei Alltäglichem und Bedeutungsvollem (Gabentisch, Grabkammer): Patronen, Gummihandschuhe, ein Hochzeitsphoto (das stürzt um, Reis rieselt darüber), ein Apfel und eine Orange, Kalenderblätter, eine Schale mit Gebäck (Reis rieselt darüber, dann Asche), Werkzeug (Folterwerkzeug), Nägel, eine Rose (die von Jericho?). Wenn alles arrangiert ist, wird die Vergatterung entfernt, verlöschen die beiden Lampen. Eine Schale mit Benzin (Napalm) wird entzündet, brennt lange, erlischt. Dunkelheit. Ende. Das ganze Zeremoniell ist sehr ruhig und ohne ein Wort abgelaufen. Gegen Ende hat man ein dumpfes Brummen und Dröhnen gehört. Man hat an allerlei Weihnachtliches gedacht und an viel Schreckliches. Vor allem hat man den Aufbau einer atemlosen Stimmung gesehen, einen ungebrochenen Ablauf, wohlproportioniert und für den, der es wollte, rein ästhetisch rezipierbar: Surrealistische Begegnungen und aktuellere Raumarrangements. Das war bestes Theater: Es dauerte nur eine Stunde, fing spät an, brachte ein starkes Gefühl und erhob keinen Anspruch mit Zeigefinger.


Wolfgang Längsfeld SZ, München am 25.Dez.1969